Freitag, 31. Dezember 2010

Montag, 27. Dezember 2010

spuren im schnee


berlin versinkt im schnee, bedeckt sich mit einer dumpfen, weissen haube und ich laufe im kreis. verfolge meine spuren im glitzer-puder und kann nicht mal darüber erschrecken, dass ich die gleichen pfade seit jahren ablaufe, immer und immer wieder. das einstiege gefühl des entsetzens über diese einsicht ist der haltung eines verlassenen gartenmöbels unter 15cm puderschnee gewichen. auf den armlehnen kommt eigentlich gar nichts von der aussenwelt mehr an. es geht weiter, immer weiter, ohne ziel, ohne hoffnung, mit den immergleichen psychologischen lächerlichkeiten und den krisen eines mit 32 jahren mittlerweile doch wirklich etwas spät pubertierenden.

wie mag sich diese welt der erwachsenen wohl anfühlen? die, in der man verantwortung übernimmt? die, in der man eine frau gefunden hat, einen partner? zur aufzucht von neuen problemfällen und "shattered hopes" am laufenden band? diejenige, in welche die realität einbricht, ständig und ungefragt? die, in der man eine ehrbare persönlichkeit geworden ist, jemand auf dem diese gesellschaft fußt (in jedem sinne des wortes)? die, in der mein peter-pan-leibchen zu klein geworden ist, das an allen ecken und enden spannt und zwickt und reisst? (man müsste zeichnen können: einen fettwanstigen, versoffenen, unrasierten peter pan, dem die wanne aus dem hemdchem birst, während er im rindstein liegt) die, in der man einer sinnvollen tätigkeit nachgeht, einer die etwas bringt? die, in der einem keine frage mehr die betretenheits- und schamesröte zumindest auf die innenseite der gesichtshaut zaubert, entweder weil sie nicht gefragt oder nicht beantwortet wird? die, in der leben einen sinn hat? die, in der meine schuhe nebeneinanderstehen und mein köfferchen und in der ich einen kuss bekomme, bevor ich gehe? die, in der man auf mich zählt und meine steuern eintreibt? die, in der ich zum wandschrank rüberschlender, um mir einen schluck rum einzugiessen oder einen bourbon, der mich erfrischt und mir durch den rest des tages hilft? die, in der ich wichtige entscheidungen treffe und zu ihnen stehe? die, in der ich es aufgebe, sinnlose und unwichtige texte zu schreiben??


Dienstag, 21. Dezember 2010

the stink of human sin ...


Christina the Astonishing


Christina the Astonishing 
Lived a long time ago
She was stricken with a seizure
At the age of twenty-two
They took her body in a coffin
To a tiny church in Liege
Where she sprang up from the coffin
Just after the Agnus Dei
She soared up to the rafters
Perched on a beam up there
Cried "The stink of human sin
Is more than I can bear"
And I cried oh, oh, oh...

Christina the Astonishing
Was the most astonishing of all
She prayed balanced on a hurdle
Or curled up into a ball
She fled to remote places
Climbed towers and trees and walls
To escape the stench of human corruption
Into an oven she did crawl 
And I cried oh, oh, oh...

O Christina the Astonishing
Behaved in a terrifying way
She would run wildly through the streets
Jump in the river and swim away
O Christina the Astonishing
Behaved in terrifying manner
Died at the age of seventy-four
In the convent of St Anna
And I cried oh, oh, oh...
 

(nick cave, christina the astonishing)

 




Montag, 6. Dezember 2010

personal catastrophes


"The loss of my father created in my life a vacuum, a space in which my words began to float and collect and find their purpose. The great W.H. Auden said 'the so-called traumatic experience is not an accident, but the opportunity for which the child has been patiently waiting - had it not occurred, it would have found another - in oder that its life become a serious matter.' The death of my father was the 'traumatic experience' Auden talks about which left the hole for God to fill. How beautiful the notion that we create our own personal catastrophes and that it is the creative forces within us that are instrumental in doing this. Here our creative impulses lie in ambush at the side of our lives, ready to leap forth and kick holes in it - holes through which inspiration can rise. We each have our need to create, and sorrow itself is a creative act."

(nick cave, the secret life of the love song)

Mittwoch, 3. November 2010

heidegger-bashing


"Wenn aber das Seyn Anfang ist und alles Anfängliche ihm gehört, und wenn der Anfang zu seiner Herkunftlosigkeit aus je einem Seienden ab-gründet, wenn er in solcher Er-eignung des Her-vorkommens des vordem-losen Seienden keine Verursachung schafft und das Seyn des Wirkens sich enthält, wenn die Ab-gründung sich verbirgt und die Verbergung die Verschwiegenheit in das Seyn zurücklegt, wie mag dann ein Name das Seyn zu sagen? Jeder Name, auch 'Seyn', hat die Verschwiegenheit gebrochen. So scheint es. Und dennoch birgt das Wissen des Anfangs noch dies, daß das Wort aus der Verschweigung west und das wesentliche Sagen inständet in der Stille des Seyns: daß das Seyn istet das Seyn."

(matin heidegger, zum wesen der sprache und zur frage nach der kunst)

muss man dazu noch was sagen???

hinzu zu fügen ist nur noch der lieblings-heidegger meines freundes k., der übringes auch zu einem meiner all time favorites zu werden scheint und den man sich durchaus auf der zunge zergehen lassen sollte:

"Das Nichts nichtet unausgesetzt."

ganz in diesem sinne:

gute nacht!

Montag, 1. November 2010

Mittwoch, 27. Oktober 2010

129


Th' expense of spirit in a waste of shame
Is lust in action; and till action, lust
Is perjured, murderous, bloody, full of blame,
Savage, extreme, rude, cruel, not to trust;
Enjoyed no sooner but despised straight:
Past reason hunted; and no sooner had,
Past reason hated, as a swallowed bait,
On purpose laid to make the taker mad:
Mad in pursuit, and in possession so;
Had, having, and in quest to have, extreme;
A bliss in proof, and proved, a very woe;
Before a joy proposed; behind, a dream.

All this the world well knows; yet none knows well
To shun the heaven that leads men to this hell.

(william shakespeare, sonnet 129)

Freitag, 8. Oktober 2010

ehrenrettung


"In diesem Sinne hat der dionysische Mensch Aehnlichkeit mit Hamlet: beide haben einmal einen wahren Blick in das Wesen der Dinge gethan, sie haben erkannt, und es ekelt sie zu handeln; denn ihre Handlung kann nichts am ewigen Wesen der Dinge
ändern, sie empfinden es als lächerlich oder schmachvoll, dass ihnen zugemuthet wird, die Welt, die aus den Fugen ist, wieder einzurichten. Die Erkenntnis tödtet das Handeln, zum Handeln gehört das Umschleiertsein durch die Illusion - das ist die Hamletlehre, nicht jene wohlfeile Weisheit von Hans dem Träumer, der aus zu viel Reflexion, gleichsam aus einem Überschuss von Möglichkeiten nicht zum Handeln kommt; nicht das Reflectiren, nein! - die wahre Erkenntniss, der Einblick in die grauenhafte Wahrheit überwiegt jedes zum Handeln antreibende Motiv, bei Hamlet sowohl als bei dem dionysischen Menschen."

(friedrich nietzsche, die geburt der tragödie)


Freitag, 1. Oktober 2010

"man kann nicht immer traurig sein, dafür ist die welt zu schön..."


diesen satz sagte mir meine mutter heute durchs telefon. sie sah dabei aus dem fenster ihrer wohnung, aus meinem alten zimmer hinaus, daheim. ich habe den ausblick vor augen, den sie vor sich hatte. ein weiter himmel aus dem 9. stock, ein beträchtlicher ausschnitt des unergründlichen blau und erst darunter, fast nebensächlich ein dunkles, ausladendes dreieck aus mietswohnungen. oft habe ich, wie sie, von dort aus gen norden geschaut, leichte weiße schleier am horizont, und in der mitte des dreiecks das tiefe dunkel eines hofes, der durch einige hohe, alte bäume eine vitale und zugleich unheimliche dimension bekam. hier sammeln sich jedes jahr im herbst die stare in großen schwärmen, bevor der zug nach süden beginnt und die bewegung dieser hundertköpfigen, ballförmigen geschwader nach rechts, links, um ausrichtung bemüht im chaos, evoziert in mir noch jetzt das schwingen einer gigantischen fahne, die das symbol des aufbruchs und verlassens durch den himmel zieht.

"man kann nicht immer traurig sein, dafür ist die welt zu schön", sagt sie und mein wissen darum, dass sie recht hat, vermischt sich unweigerlich mit der schwarzen galle meines gewissens, da ich nicht anders kann, als das plebeische dieser aussage festzustellen. es ist der immerwährende versuch des armen und gebeutelten, sein leben schön zu finden, trotz aller wiedrigkeiten und aller last. trotz aller armseligkeit, trotz aller ungerechtigkeit, trotz all des hasses und der nutzlosigkeit und: trotz der endlichkeit des schönen.
schopenhauer würde wohl vom 'willen' reden, ich gehe mit nietzsche und spreche von der 'natur', die hier ihre so oft unbemerkte, doch unerbittliche knechthaft ausübt. in ihrem sinne, dem sinne des weitermachens, weiterlebens, fortpflanzens und gutheißens wird der moment auserkoren und emporgehoben zu einem loblied auf die schönheit dieses zarten augenblicks, allem aber zum trotz.

so schaue ich also mit ihr in das blau, das nun schon elemente von gelb und weiss enthält und bald schon dunkler, tiefer werden wird, wenn die sonne über berlin verschwindet. sie sagt, "eigentlich möchte ich noch gar nicht 67 sein" und diese mischung aus erschlagender wahrheit und naivität ist entwaffnend und wahrscheinlich auch so gedacht.
die plattenbaumauern unserer welt schränken weder herz noch fantasie dermaßen ein, dass nicht ab und an ein ausblick bliebe, zumindest ein vermeintlicher und kurzer.

we can build our dungeons in the air and sit and cry the blues,
we can stumble across this world with nails hammered through our shoes
we can join that troubled chorus and critizise and accuse
it don't matter much, no
cause we've got nothing much to lose,
but this wonderful world...

and if you find it
it's a wonderful world

ich habe aus meinem herzen eine mördergrube gemacht, wohl war, und ein bad aus kaltem stahl. an ein kleines abkühlbecken in einer ranzigen saunaanlage muss ich dabei denken, auch jetzt, wo ich in gesetztem ton meiner mutter gut zurede, alles im griff zu haben vorgebe - zumindest soweit es geht - und nicht (mehr) klage, worüber auch immer. was nützt es auch alles? der morgige tag wird sonnenschein bringen und palmengrün auf terracottafarbenem sand. die kommenden schläge des lebens liegen wahrscheinlich schon abgezählt bereit und es ist nur die frage, wann sie einsetzen und nicht ob. und ob ich ihnen mit senecas gesetztem spaziergang am strand seines exiles oder mit der verzerrten fratze eines dionysischen leidens zu begegnen versuche, bleibt letztlich einerlei.
einzig vergessen scheint mir eine lösung zu sein und die lotusphagen, von denen benn berichtet, die von der besagten pflanze essen und im vergessen leben, müssen wohl die glücklichsten menschen gewesen sein?


Sonntag, 12. September 2010

westwärts 2


wieder
weiter westwärts...

über wasser, land, geplatzte gasleitungen
und umringt von britischen boulevardzeilen
die den sittenverfall an der escort-affäre "rooney" festmachen:
junge mittelklasse-mädels geben sich für geld und aufmerksamkeit
der fussballelite und ihrem schweinsgesichtigen mittelstürmer hin.
interviews und abbite der eltern, freunde und politiker empört
angeblich beschämt fragt sich das schwarze weiss der öffentlichen meinung
ob so die verehrte nation noch bestehen kann.

zwischen den endlosen stunden verschieben die zeitzonen und die welten
etwas legt sich ab, was doch nie hinter sich zu lassen ist und
eine neue brille steht mir gut.
weder zeit für lamentieren noch für euphorie
weiterstolpern
später interpretiert man vielleicht es könnte ein weg gewesen sein...