Sonntag, 26. Juli 2009

der sommer hängt in der luft wie ein totes blatt ...


der sommer hängt in der luft wie ein totes blatt.

es überrascht mich jedes jahr wieder, dass er so zörgerlich und tröpfelnd herankommt – oft verbunden mit herrlichen vorausdeutungen seiner im ‚eigentlichen’ frühling – dann kurz aufblitzt, um noch bevor man wirklich beginnt, sich auf ihn zu freuen, wieder schon in niedergang und auflösung befangen zu sein.


ich werde nun nicht die gleichen herbst- und endsommer-gedichte benns präsentieren, die ich letztes jahr auflegte, aber die stimmung ist durchaus gleich, phantastisch in ihnen eingefangen und ein blick zurück kann sich jederzeit nur lohnen.


sie sind zu kurz! diese sommer voller jugendträume eines dreißigjährigen - oder die träume zu lang... aufbruch, ausbruch, hoffnung schon wieder begraben für ein weiteres halbes jahr und das wissen, dass auch der nächste und der nächste und der übernächste sommer zu kurz sein wird, bis eines tages das ganze jahr über herbst ist und man unmerklich damit anfängt, sich auschließlich auf die erhaltung der eigenen geistigen wie körperlichen ruine zu konzentrieren. der herbst als (aussichtsloser) graben- und stabilisierungskampf gegen die zeit (und sich selbst) hat schon begonnen und rinnt durch alle gedanken, hier sichtbar, dort mit schnörkeln und gerede verziert und verdeckt.


es locken die fernen gestade als fluchtpunkte eines heillosen und rücksichtslosen eskapismus, doch auch hier ist die ernüchterung vorprogrammiert, der selbstbetrug offensichtlich. ‚Wer das verlor, was du verlorst, kehrt niemals heim’ – oder ähnliches habe ich ein mal gelesen und als gegenmittel zu den trügerischen davonkommensantizipationen zum abschluss doch noch mal der ‚große’ benn, der schwerfällige buddha des deutschen nirwana aus der bozener str, berlin schöneberg:



Reisen


Meinen Sie Zürich zum Beispiel

sei eine tiefere Stadt,

wo man Wunder und Weihen

immer als Inhalt hat?


Meinen Sie, aus Habana,

weiß und hibiskusrot,

bräche ein ewiges Manna

für ihre Wüstennot?


Bahnhofstraßen und Rueen,

Boulevards, Lidos, Laan –

selbst auf den Fith Avenueen

fällt Sie die Leere an –


ach, vergeblich das Fahren!

Spät erst erfahren Sie sich:

bleiben und stille bewahren

das sich umgrenzende Ich.


(Gottfried Benn, 1950)