Sonntag, 20. September 2009

wahrheit oder pflicht ?


ich habe in freuds analyse der melancholie reingeschaut und ein hübsches zitat gefunden. selbst wer die wahrheit sagt, ist krank - üble aussichten... ;-)


"In einigen anderen Selbstanklagen scheint er [der an melancholie erkrankte] uns gleichfalls recht zu haben und die Wahrheit nur schärfer zu erfassen als andere, die nicht melancholisch sind. Wenn er sich in gesteigerter Selbstkritik als kleinlichen, egoistischen, unaufrichtigen, unselbstständigen Menschen schildert, der nur immer bestrebt war, die Schwächen seines Wesens zu verbergen, so mag er sich unseres Wissens der Selbsterkenntnis ziemlich angenähert haben, und wir fragen uns nur, warum man erst krank werden muß, um socher Wahrheit zugänglich zu sein. Denn es leidet keinen Zweifel, wer eine solche Selbsteinschätzung gefunden hat und sie vor anderen äußert - eine Einschätzung, wie sie Prinz Hamlet für sich und alle anderen äußert -, der ist krank, ob er nun die Wahrheit sagt oder sich mehr oder weniger unrecht tut."

(Sigmund Freud, Trauer und Melancholie)


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