Donnerstag, 20. März 2008

Der Herr der Fliegen

Ich sitze am Schreibtisch und am Fenster rammen sich vergeblich die kleinen (Frucht-)Fliegen ihre Köpfe gegen das Glas, auf dem (unerreichbaren) Weg in die Freiheit, folgend dem verheißungsvollen Tageslicht. Sie sind geboren – vor kurzem erst – in dem Topf mit Blumenerde, der in meinem Wohnzimmer steht. Ihre vielen kleinen Körper und die silbrig-blau glänzenden Flügelchen auf ihren Rücken schimmern, wenn man nah an ihren Topf herantritt und sie anfangen, anscheinend aus nützlichem Instinkt, um ihr Leben zu wuseln, über die kleinen Wurzeln und unter und über der von mir gekauften Pflanzenerde.

Mit der Zeit schwärmen sie langsam aus in die Weiten meiner Wohnung, aber lassen doch die Annahme zurück, dass hier irgendwo etwas verfaulen würde. Dass hier versteckt ein Aas, ein Übel läge, das sie angezogen und ernährt habe, bis jetzt wo sie sich schon gepaart haben und sich vermehrt auf machen in eine neue Umgebung. Wenn ich sie in der Küche antreffe (und wieder einmal einige von ihnen zärtlich-herrschaftlich zerquetscht habe mit meiner richtenden Gottesfaust) verweist mich ihr Anblick in Gedanken zu dem Herd aus dem sie kommen, ein Kübel mit Erde in Mitten meiner Wohnung, die Brutstätte, ihr Hort. Der Ausgangspunkt von Biologie, von Streben, von der Sucht nach dem nächsten Tag, nach Kopulation, nach Nahrung/ Erhaltung, nach „Fortpflanzung“. Irgendwie wirft es ein übles Licht auf mich zurück, dass sie hier entstanden sind, dass der Nährboden hier bereitstand und bereitsteht. Dass sie sich meine Wohnung ausgesucht haben, um Jahr für Jahr, kurz bevor der Frühling einsetzt, hier ihre ersten Gehversuche, ihre kurzen Glücks- und Todessprünge zu vollführen und (für die meisten vergeblich) versuchen aus diesem Gefängnis meiner Wände auszubrechen. Na ja, die meisten haben wenigstens gefickt, hier bei mir, im Blumentopf oder an der Wand, an der Tapete klebend. Mein Heim - ein Ort, an dem das Laster eine Chance hat...

Langsam habe ich sie akzeptiert, meine Kleinen. Ich bringe zwar immer noch ein paar von ihnen um, aus Langeweile, oder weil mich doch noch manches Mal der Anhauch eines bürgerlichen Sauberkeitsideales von hinten überfällt und mir ein schlechtes Gewissen einredet, ob der moralischen Verwerflichkeit und Liederlichkeit eines solchen Treibens, doch die Zahl der Opfer hält sich in Grenzen. Die paar zermanschten Seelen muss man einem Luzifer wohl eingestehn, Herrn der Fliegen.

1 Kommentar:

Cosmo Croc! hat gesagt…

*WOW

Ich hatte jetzt noch nicht viel Zeit für ein genaueres Studium aller Texte. Aber der erste Eindruck ist doch sehr souverän.

PROPPS 4 U!

& Weiter so ... freu mich schon auf das nächste Material.

cu soon